Belfasts Botschaft: Die EU hat den Westbalkan nicht vergessen - Gazeta Express
string(60) "Die Botschaft von Belfast: Der Westbalkan ist nicht vergessen"

Nachrichten

Gazeta-Express

11/10/2025 8:54

Botschaft aus Belfast: Die EU hat den Westbalkan nicht vergessen

Nachrichten

Gazeta-Express

11/10/2025 8:54

Der Berliner Prozess unterstützt die sechs Westbalkanländer bei ihren Reformen auf dem Weg zur EU. Einige fühlen sich jedoch abgehängt.

Belfast als Symbol der Versöhnung: Es ist ein trüber Herbsttag in Belfast, genauer gesagt auf Hillsborough Castle. Diese georgianische Fürstenresidenz aus dem 18. Jahrhundert ist die offizielle Residenz des britischen Monarchen in Nordirland und Sitz des nordirischen Staatssekretärs. Dieser Ort trägt Geschichte: Hier fanden jene Gespräche statt, die 1998 schließlich mit dem Karfreitagsabkommen gekrönt wurden und den jahrzehntelangen blutigen Konflikt in Nordirland zwischen Protestanten und Katholiken beendeten. Dieser Ort, so die Idee des Gastgeberlandes Großbritannien, sollte bei dem zweitägigen Treffen mit Vertretern der Westbalkanländer der Versöhnung einen besonderen Akzent verleihen.

Mehr Dynamik für den EU-Beitrittsprozess bis 2029

Die Stabilität der Region liege im europäischen Interesse, betonte der britische Außenminister bei der Eröffnung des hochrangigen Treffens. „Wir wissen, dass die Sicherheit des Westbalkans direkte Auswirkungen auf die Sicherheit in ganz Europa hat, auch für Großbritannien.“

Bundesaußenminister Johann Wadephul betonte, die Europäische Union habe die Verantwortung, den Ländern der Region eine Perspektive zu geben. Der Beitrittsprozess brauche vor allem neuen Schwung. „Die Menschen verlieren zunehmend den Glauben an eine schnelle Zukunft in der EU.“ Die Chancen stünden gut, dass bis 2029 wieder mehr Schwung in den Beitrittsprozess komme, sagte Wadephul. Gleichzeitig wies er auf die geopolitischen Risiken weiterer Verzögerungen hin: „Das können wir nicht zulassen, denn sonst besteht die Gefahr einer Rückkehr zu alten Feindseligkeiten und einer stärkeren Rolle Russlands und Chinas.“

Das unerfüllte Versprechen von Thessaloniki

Vor zwanzig Jahren, im Sommer 2003, versprach die EU den Ländern dieser Region auf dem Gipfel in Thessaloniki eine Vollmitgliedschaft. Damit sollte den Ländern des Westbalkans nach den blutigen Prozessen des Zerfalls Jugoslawiens in den 1990er Jahren eine Perspektive eröffnet werden. Derzeit sind nur Länder wie Slowenien und Kroatien Mitglieder der EU. Die übrigen Länder befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Beitrittsverhandlungen. Am weitesten fortgeschritten sind Albanien und Montenegro.

Der Berliner Prozess: Koalition der Willigen

Der Berliner Prozess, eine Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel, soll hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, die Länder auf die EU-Mitgliedschaft vorbereiten und gleichzeitig die regionale Zusammenarbeit zwischen ihnen fördern. Dabei handelt es sich um einen informellen Rahmen, der die Länder des Westbalkans (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien), mehrere EU-Länder sowie Großbritannien umfasst – sozusagen eine „Koalition der Willigen“, erklärt Frauke Seebass, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), gegenüber der DW. „In diesem Format herrscht größere Flexibilität, da es nicht auf die Einstimmigkeit der 27 EU-Mitgliedstaaten angewiesen ist, die die Prozesse oft verlangsamt.“

Blockaden, Konflikte und interne Probleme

Auch einzelne EU-Länder haben in der Vergangenheit aus Eigeninteresse immer wieder die Beitrittsverhandlungen einzelner Westbalkanländer blockiert. Der jahrzehntelange Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien endete 2019 mit dem Prespa-Abkommen, das die Namensänderung in Nordmazedonien festlegte.

Diese Länder selbst haben zudem mit internen Problemen zu kämpfen, die ihre Aussichten auf eine EU-Mitgliedschaft weiterhin vor große politische, wirtschaftliche und institutionelle Herausforderungen stellen. Zu diesen Problemen zählen Korruption, Rechtsstaatlichkeit und ungelöste bilaterale Konflikte – wie etwa der zwischen Serbien und dem Kosovo. Die Massenauswanderung, insbesondere junger Menschen, führt zudem zu einer Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte in die Westbalkanländer. Die fehlenden Perspektiven zwingen viele dazu, ihr Glück in EU-Ländern zu suchen.

Wachsender Einfluss Russlands und Chinas

Der langwierige Beitrittsprozess des Westbalkans hat die Region auch für Großmächte wie Russland und China attraktiver gemacht. „Diese Akteure nutzen die Lücken, die durch den Austritt der EU und der USA aus der Region entstanden sind“, stellt Seebass im Gespräch mit der DW fest. Sie nennt ein konkretes Beispiel: „Serbien hat 2023 ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet, das nicht mit dem wiederholt proklamierten Ziel der Regierung in Belgrad, einer EU-Mitgliedschaft, im Einklang steht. Besonders besorgniserregend ist die Zusammenarbeit serbischer Sicherheitsbehörden mit dem russischen KGB und die Ausstellung serbischer Pässe an russische Staatsbürger, die der russischen Regierung nahestehen. Mit einem serbischen Pass können diese auch in den Schengen-Raum reisen“, gibt Seebass zu bedenken.

Moskau nutzt weiterhin Serbiens starke Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen aus. Die langjährige Freundschaft zwischen Serbien und Russland spiegelt sich auch in Belgrads Politik der Pendeldiplomatie wider. Serbien unterstützt die Brüsseler Sanktionen gegen Russland nach dessen Angriff auf die Ukraine nicht und wäre im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen verpflichtet, seine Außenbeziehungen an die Positionen der EU anzupassen.

Sicherheits- und Migrationsfragen ganz oben auf der Tagesordnung

In Belfast standen Sicherheitsthemen auf der Tagesordnung. Konkret sollen rund 5 Millionen Euro in Projekte investiert werden, die die Widerstandsfähigkeit gegen Cyberangriffe stärken und den Erfahrungsaustausch im Kampf gegen Desinformation intensivieren sollen. Mit rund 11,5 Millionen Euro werden Programme im Westbalkan zur Bekämpfung der illegalen Migration über die Balkanroute unterstützt.

All dies seien kleine Schritte, die zeigen sollen, dass Europa den Westbalkan nicht vergessen hat, so die Botschaft aus Belfast. Am 22. Oktober treffen sich im Rahmen des Berliner Prozesses die Staats- und Regierungschefs der an diesem Format beteiligten Länder in London. /DW/